„Täglich kommen neue Ideen“

Nicht sägefähiges Holz länger nutzbar machen: in Langenbach hat man die Lösung und spart dabei CO2

von links:
Markus Mann, Daniel Rahn, Joachim Reuscher, Marcel Funke, Oliver Schmidt, Thomas Mann

Foto oben: Das Tiefbauunternehmen Reuscher aus Rennerod hat den Auftrag erhalten. Gemeinsam haben Markus Mann, Daniel Rahn, Joachim Reuscher, Marcel Funke (bei Reuscher für Vermessung zuständig), Oliver Schmidt, der bei Reuscher die Bauleitung übernimmt, und Thomas Mann (von links) nun die Arbeiten für das SEO-Sägewerk gestartet.


Die Region stärken und die Umwelt schonen: das sind zwei der wichtigsten Ziele, die die Firmengruppe MANN verfolgt. Ein Projekt, das beides vereint und dabei noch wirtschaftlich viel bringt, ist das neue SEO Sägewerk. Was sich hinter den drei Buchstaben verbirgt? Eine Anlage zur „stofflich energetischen Optimierung von bislang nicht sägefähig geltendem Rundholz“. Und dahinter wiederum steckt eine nie dagewesene Konstruktion, „made in Langenbach“.

Wie heißt es so schön? „Alle sagten, es geht nicht, bis einer kam und es einfach machte.“
Ein Spruch, der auf die gesamte Unternehmensphilosophie Markus Manns ebenso zutreffen mag wie auf die SEO Anlage, zu deren Bau auf dem Langenbacher Firmengelände jüngst der erste Spatenstich erfolgte. Wobei, „einfach“ ist sicher nicht vieles an der Konstruktion eines komplett neuartigen Sägewerks!

Daniel Rahn, Projektingenieur bei MANN, hat sich der anspruchsvollen Aufgabe gestellt, „vorhandene Techniken in einer neuen Konzeptionierung aneinander zu reihen“, wie es im Bauantrag heißt. „Das ist total herausfordernd, genau mein Ding!“, freut sich Rahn. Neben ihm und Geschäftsführer Markus Mann seien etwa die Bereichsleiter und Prokurist Jörg Thielmann in das Projekt eingebunden; letzterer, „um zu prüfen, ob finanziell auch tragbar ist, was der Ingenieur und sein Chef aufs Zeichenbrett bringen“, schmunzelt Daniel Rahn. Die exakten Schritte, um das „bislang nicht sägefähig geltende Rundholz“ nun „stofflich energetisch zu optimieren“, sind natürlich streng gehütetes Betriebsgeheimnis – gerade bei einem so einzigartigen Unterfangen durchaus verständlich.

Umso mehr lässt sich zum Nutzen sagen, den die SEO Anlage für Umwelt, Region und nicht zuletzt ihren Betreiber selbst bietet. Dazu muss man zunächst einmal wissen, was nicht sägefähiges Holz überhaupt ist. Die Sägeindustrie benötigt sogenanntes „flüssig gewachsenes Holz“, was auf einen Stamm zutrifft, der möglichst gerade gewachsen ist und nur wenige Äste aufweist. Solches Holz, das zudem keine Faulstellen oder sonstige Makel zeigt und sich als Furnierholz eignet, wird der Güteklasse A zugeteilt. B Holz ist von normaler Qualität, besitzt wenige Äste und/oder eine geringe Krümmung und lässt sich als typisches Bauholz verwenden. C Holz weist bereits zahlreiche „Mängel“ auf, man kann es aber gewerblich und in Teilen noch als Bauholz nutzen. Von geringster Güte ist Holz der Kategorie D. Es ist faul und krank, oft extrem gekrümmt, mit dicken Ausbuchtungen versehen und mit zwei bis 2,5 Metern verhältnismäßig kurz, sodass es als nicht sägefähig gilt. Daher wandert es zumeist in die Brennstoffproduktion, wird also verfeuert.

Zweck der neuen SEO Anlage in Langenbach ist es nun, eben diese minderwertige Holzklasse so zu sortieren und aufzubereiten, dass ein möglichst hoher Anteilstofflich genutzt werden kann – also nicht als Brennmaterial, sondern etwa in Form von Verpackungsholz oder in Form einer Europalette. Durch diese Verwendung wird der Lebenszyklus des nachwachsenden Naturrohstoffes verlängert: Ein Stamm von geringer Qualität überdauert sechs Jahre länger (der durchschnittlichen Lebenszeit einer Palette entsprechend), anstatt vom Wald direkt in den Häcksler zu gelangen.„Kaskadennutzung“ nennen die Fachleute eine solche besonders nachhaltige Verfahrensweise, in der ein und derselbe Rohstoff mehrere Verwertungsstufen durchläuft: im Falle des D Holzes zunächst stofflich als Palette, dann später energetisch zum Beispiel als Brennstoff in einem Biomasse Heizkraftwerk.

Hinzu kommt, dass Paletten normalerweise aus dem höherwertigen C Holz gefertigt werden. Verwendet man aber dafür nun D Holz, kann entsprechend viel C Holz eingespart werden. Dieses nicht gefällte Holz verbleibt somit mindestens sechs Jahre länger – nämlich so lange, wie die D Holz Palette im Umlauf ist – im Wald, was über diesen Zeitraum eine  CO2  Einsparung von 120 Kilogramm pro Tonne Holz bedeutet.

Die größte Kohlenstoffdioxid Ersparnis ermöglicht das neue Sägewerk mittels effizienterer Transportwege. MANN kann das aus D Ware entstehende Verpackungsholz an den lokalen Palettenproduzenten verkaufen, der seinen Rohstoffbedarf bislang im fernen Baltikum und Russland deckt. Fast 1,3 Millionen Kilometer LKW Transportwege fallen damit weg! Wenn man von 60 Gramm CO2 pro Tonne und Kilometer ausgeht, ergibt sich dadurch eine Reduktion um knapp 1.943 Tonnen des umweltschädlichen Treibhausgases pro Jahr. 1,3 Millionen LKW Kilometer spart das Werk im Ein-Schichtbetrieb. Spätestens ab Sommer 2018 soll die Produktion auf Zwei-Schichtbetrieb umgestellt werden. Somit verdoppelt sich die Einsparung für Mensch und Umwelt noch.

Ein weiterer positiver ökologischer wie ökonomischer Effekt des neuen Werkes ist die dann bedeutend geringere Menge an benötigten Sägespänen von außerhalb. „Mit dem neuen SEO Werk werden wir nicht nur unser Produktsortiment und die Fertigungstiefe erweitern, sondern auch erheblich den Transport von Sägespänen zum Werk in Langenbach reduzieren. Die Späne und Hackschnitzel sind dann ganz einfach vor Ort“, betont Markus Mann. Hier ergibt sich eine weitere CO2 Einsparung von rund 200 Tonnen allein im ersten Betriebsjahr. Ausgehend von den beiden genannten Logistikvorteilen, wurde eine CO2 Gesamtvermeidung von 2.143 Tonnen im ersten Betriebsjahr der Anlage berechnet.

Dabei aber soll es nicht bleiben: Ab dem dritten Jahr wird der Logistikbereich eine Einsparung von sage und schreibe 4.287 Tonnen Kohlenstoffdioxid einbringen. Damit neutralisiert das innovative Sägewerk dann pro Tag mit circa 11,7 Tonnen ziemlich genau den CO2 Fußabdruck, den ein Deutscher (je nach Quelle elf bis zwölfeinhalb Tonnen) durchschnittlich in einem ganzen Jahr hinterlässt! Oder andersherum gerechnet: Pro Jahr wird durch das Sägewerk so viel CO2 eingespart, wie eine Großstadt wie Würzburg mit rund 127.000 Einwohnern am Tag in die Luft pustet. Das Projekt ist somit ein Musterbeispiel für heimische Wertschöpfung, die Ökologie und Ökonomie in Einklang bringt.

Insbesondere die heimischen Forstbetriebe profitieren überdies: Mussten Fuhrunternehmen bislang mehrmals die gleiche Forststraße passieren, um nacheinander unterschiedliche Holzqualitäten abzuholen, können nun gemischte Sortimente gemeinsam abtransportiert werden. Denn am Standort der SEO Anlage kann „flüssig gewachsenes“ Holz auf demselben Sortierstrang angeliefert werden wie D Ware und reines Energieholz. Alles findet irgendwo Verwendung: ob in der Profilier und Sägelinie, dem Pelletwerk oder im Biomasse Heizkraftwerk. Minderfrachtzuschläge und somit Kosten für den Waldbesitzer entfallen hierdurch.

Wenn man sich als Unternehmer überlegt, was der Region gut tut, dann ist die Schaffung von Arbeitsplätzen zu berücksichtigen. Wird die neue Anlage bis 2019 zum Zwei-Schichtbetrieb ausgebaut, bietet sie zwölf Menschen einen neuen Job. „Im Energiesektor beschäftigen wir dann etwas mehr als 50 Mitarbeiter. Weitere 50 Mitarbeiter finden am Standort Langenbach bei meinem Bruder Thomas Mann in der Spedition Beschäftigung und arbeiten eng verzahnt mit dem Energiesektor“, betont Markus Mann. Die Umsetzung eines nie dagewesenen Vorhabens gelingt naturgemäß nicht zum Nulltarif: Die Eigeninvestition in die SEO Anlage wird mit circa 7,5 Millionen Euro beziffert. Markus Mann erläutert: „Durch das neue SEO Projekt erhöht sich der Rohstoffeinkauf bei den Waldbesitzern um jährlich 5,6 Millionen auf 8,9 Millionen Euro und die Bruttowertschöpfung des Werkes um 2,1 Millionen.“ Somit werde ein Gesamtumsatz aus dem Werk in Langenbach in Höhe von circa 15,7 Millionen Euro generiert und in der Region umgesetzt. Etwa indem mit Waldbesitzern der Umgebung statt mit baltischen oder russischen Handel betrieben wird oder indem Arbeitslöhne vor Ort gezahlt werden anstatt in weiter Ferne. „Ein Paradebeispiel für heimische und nachhaltige Rohstoffnutzung sowie die Reduzierung von Importabhängigkeit“, ist Firmenchef Mann stolz auf das Pionier Projekt.

Die Initialzündung erfuhr das Vorhaben SEO Anlage durch einen Besuch der Langenbacher in einem Sägewerk in der Bretagne. „Dort wurden aus völlig krummen Kiefern gerade Bretter geschnitten. Aus so mangelhaftem Holz noch solche ,Filetstücke‘ zubekommen, hat uns beeindruckt“, erinnert sich Daniel Rahn. Von der damals entstehenden Idee für Langenbach bis zum Baubeginn brauchte es zwei Jahre. Und obwohl aktuell schon Tiefbauarbeiten erledigt werden und man Mitte nächsten Jahres mit der Inbetriebnahme rechnet, „wächst das Projekt immer mit, kommen täglich neue Ideen“, verrät Ingenieur Rahn. Wie das eben so ist, wenn kreative Köpfe ein völlig neuartiges Konstrukt erdenken – und schließlich mit Leben füllen.