Interview mit Markus Mann
„Wer nicht losgeht, kommt nicht an“
Im Mai 2001 wurde die „Westerwälder Holzpellets GmbH“ (WWP) gegründet. Unabhängigkeit von ausländischen Gas- und Öl-Reserven sowie die Tatsache, dass das Heizen mit Holz CO2-neutral ist, seien dafür Gründe gewesen, schildert der geschäftsführende Gesellschafter Markus Mann. Um den Transport zum Kunden ebenso umweltfreundlich hinzubekommen, investiert das Unternehmen inzwischen in Elektro-Lkw. Über das erste Exemplar, den „Designwerk Mid Cab“, sprach mit Mann Uwe Schmalenbach.
Ihre neueste Investition ist nicht ganz günstig gewesen – Größenordnung: eine halbe Million Euro! Und das in ein Fahrzeug, mit dem in Deutschland noch niemand Erfahrungen hat. Wie leicht trifft man so eine Entscheidung?
Wer nicht losgeht, kommt nicht an! Wir sind mit der E-Mobilität in der Firma ja schon sehr früh aufgebrochen, 2010. Und jetzt – endlich, endlich, nach vielen Jahren der Ankündigung – gibt es erste Elektro-Lkw, die man kaufen kann und die auch funktionieren. Wir haben uns ausgetauscht mit den Erstkunden von Designwerk in der Schweiz, die damit schon in anderen Anwendungsgebieten unterwegs sind, und haben gesagt: „So ein Fahrzeug brauchen wir.“ Dann ging es noch um die Frage, welche Batteriegröße wir benötigen und haben die „XL-Version“ genommen!
Batteriegröße ist ein gutes Stichwort: Die bereits fahrenden Designwerk Fahrzeuge, von denen Sie sprechen, sind nicht unterwegs, um Pellets auszuliefern. Diese Konfiguration gibt es ja weltweit erstmalig nur hier bei den „Westerwälder Holzpellets“. Es ist aber noch einmal eine ganz andere Anforderung an den Lkw, da Sie die Pellets nicht nur „durch die Gegend fahren“ wollen, der Brennstoff muss zudem aus dem Silo bewegt werden, wenn der Fahrer beim Kunden ist…
Genau! Und das ist natürlich etwas anderes, als wenn an einem Lkw nur mal eine Hebebühne rauf- und runtergeht.
Was ist der wesentliche Unterschied?
Bei der Pelletauslieferung brauchen Sie einen leistungsfähigen „PTO“, das ist ein Nebenantrieb. Bei einem Diesel-Lkw kommt dieser aus dessen Getriebe. Von dort geht eine Welle auf den Kompressor, der den Druck erzeugt, mit dem die Westerwälder Holzpellets vom Silowagen in den Bunker des Pelletnutzers geblasen werden. Hier beim Designwerk Mid Cab ist erst ein elektrischer Umformer installiert worden, der die Hochvolt-Spannung von 400 Volt auf einen Elektromotor bringt, der eine Hydraulikpumpe antreibt, die wiederum den Kompressorbetrieb übernimmt. Noch sind die Bauteile nicht da – da es eine Weltneuheit ist –, die direkt die elektrische Energie auf den Kompressor geben, ohne über die Hydraulik gehen zu müssen. Dennoch: Trotz des technischen Umweges erfolgt der Kompressorantrieb schon jetzt zu 100 Prozent mit dem Ökostrom aus der Lkw-Batterie.
Bis Februar wollen Sie sieben Elektro-Lastwagen einsetzen. Steht bis dahin eine „Lernzeit“ an, wo man solche Dinge näher anschauen und sich für die nächsten Fahrzeuge Lösungen überlegen kann?
Wir haben bei den Bestellungen der Lkw bewusst eine Vielfalt gewählt – wie wir sie beim E-Pkw-Fuhrpark schon haben. Beim E-Lkw werden wir neben dem Designwerk DAF, Volvo aus Göteborg und den „E-Actros“ von Mercedes ausprobieren.
Welche Erkenntnisse sollen gewonnen werden?
Der Nebenantrieb, der E-PTO, von dem ich eben gesprochen habe, bedeutet ja, dass wir ungefähr eine Stunde lang das Kompressor-Gebläse, das die Pellets in den Keller „pustet“, an der Lieferstelle laufenlassen müssen. Im Zweifel geht es dabei auch mal 30 Meter gegen den Berg die Böschung hoch bis in den Keller – und da müssen die Pellets auch zuverlässig ankommen! Das braucht Energie, und diese Energie wird der Batterie im Designwerk Mid Cab für die Fahrtstrecke weggenommen. Die ersten Werte, die wir aufgezeichnet haben, bestätigen unsere Hoffnung: Vermutlich werden rund 30 Kilowatt (kW) Leistung vom Nebenantrieb aufgenommen. Und 30 kW bedeuten, dass von unserer Batterie im Lkw, wenn wir eine Stunde lang pusten, eben auch rund 30 Kilowattstunden (kWh) Energie verbraucht werden. In der Batterie stecken 450 kWh drin, 30 sind weg – mit dem Rest können wir fahren.
Nun hat ein jeder, der schon ein E-Fahrzeug gesteuert hat, bemerkt: Das Prinzip ist von Witterungseinflüssen abhängig, im Winter verbraucht etwa die Heizung im Auto Strom. Pellets werden gerade im Herbst und Winter besonders stark nachgefragt. Hat die Batterie genug „Luft“, dass das von Ihnen beschriebene Verfahren auch bei minus zehn Grad noch zuverlässig funktioniert?
Deswegen haben wir ja eine Reserve eingebaut. Denn es ist nicht nur die Heizung im Führerhaus, die betrieben werden muss. In der Batterie, es ist ein Lithium-Ionen-Akku, findet ein chemischer Prozess beim Laden wie Entladen statt. Je kälter es ist, desto träger passiert das. Wenn die Batterie träger arbeitet, kommt weniger raus – deswegen hat man im Winter bis zu 10 Prozent Reichweitenverlust.
Und dann?
Den haben wir mit eingeplant! Weil wir ja ein Regionalkonzept verfolgen, rollen unsere Fahrzeuge im Umkreis von vielleicht 100 Kilometern. Das heißt, ein Auslieferungsfahrer der WWP legt im Schnitt so um die 170 Kilometer zurück, wenn er mehrere Abladestellen ansteuert. Das passt also mit der Reichweite des Designwerk Mid Cab ganz hervorragend, und es ist eben ein Vorteil, dass wir die Menschen in der Region mit Wärme versorgen, aber nicht den Anspruch haben, Pellets aus dem Westerwald nach Paris zu fahren.
Mit dem neuen E-Lkw von Designwerk verringert sich der CO2-Fußabdruck der Holzpellets aus dem Westerwald abermals, nicht wahr?
Genau! Wir nähern uns jetzt 100 Prozent dessen, was man erreichen kann. Natürlich setzen wir im Unternehmen noch Schmierstoffe für Maschinen und Fahrzeuge ein. Natürlich haben wir noch keinen CO2-freien Stahl. Wenn also unsere Schlosserei einen Stahlträger kauft, um ein Gestell zu bauen, ist das leider nicht C02-neutral. Aber da arbeiten wir dran! Doch im Bereich der Mobilität sind wir im ersten Quartal 2023 so weit, dass wir mit sieben von zwölf Lieferfahrzeugen CO2-frei unterwegs sein können. Denn wir laden aus unserem eigenen Areal-Netz auf dem Firmengelände, für das wir eine 100-prozentige Grünstrom-Versorgung haben, mit Eigenerzeugung im Mix aus Sonne, Wind und Biomasse. Reststrom, der dann und wann mal fehlt, beschaffen wir über Verträge mit Wasserkraftwerken, aus denen ebenfalls physikalisch gekoppelter Grünstrom kommt.
Damit sind wir beim „Treibstoff“ des neuen Elektro-Lastwagens: Warum Grünstrom und kein Wasserstoff, dem eine große Zukunft vorausgesagt wird?
Es gibt zwei Ansätze alternativ zum batterieelektrischen Fahren: einer ist „wasserstoffelektrisch“. Dabei wird die Energie im Wasserstoff gespeichert, im Fahrzeug in Strom umgewandelt und damit wird der Motor angetrieben. Oder man verwendet synthetischen Treibstoff…
Die sogenannten „E-Fuels“?
…richtig. Wasserstoff und E-Fuels müssen aber zunächst aus Primärenergie hergestellt werden. Primärenergie heißt: Am Anfang der Kette steht ein Solar- oder Windkraftwerk, mit dem ich Wasserstoff erzeuge. Den muss ich verdichten, transportieren, lagern, vertanken und wieder rückverstromen. Und da gibt es eine sehr einfache Faustformel: Ich könnte mein Fahrzeug natürlich wasserstoffelektrisch fahren, doch dann brauche ich eben die dreifache Menge an Primärenergie gegenüber dem batterieelektrischen Antrieb.
Und bei den E-Fuels?
Da ist es noch schlimmer: Die sind zwar vermeintlich „wunderbar“, denn wir können die bestehende Verbrennungstechnik weiter nutzen, und wir haben diese „schönen Tankstellen“ überall (schmunzelt). Aber: Dann habe ich den Faktor fünf! Das heißt nichts anderes, als dass ich bei E-Fuels die fünffache Primärenergie brauche, um die gleichen Kilometer zu fahren!
Wenn man das Manko bei wasserstoffelektrischem Antrieb beheben würde und die Primärenergiemenge gleich wäre, könnte Wasserstoff eine Alternative werden?
Das könnte interessant werden, wenn man noch etwas erfindet, das den Wirkungsgrad des Wasserstoffs bedeutend erhöht. Und wenn man für die Stromproduktion Standorte nutzt, an denen man den doppelten oder gar dreifachen Solar- oder Windertrag hinbekommt und den dort erzeugten Wasserstoff nach Deutschland transportiert. Aber langfristig gesehen sind wir dann abermals nicht unabhängig von Energieimporten. Statt von Putin sind wir vielleicht von einem Herrscher in der arabischen Welt abhängig, dass er den in der Wüste mit Solarstrom betriebenen Generator zur Wasserstofferzeugung nicht abschaltet, wenn es einmal politische Meinungsverschiedenheiten gibt. Deshalb: Wir müssen sehen, dass wir heimische Energie heimisch nutzen. Und das heißt: Am besten direkt von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach oder aus der Windmühle in den „Tank“. Die Mengen sind da, alle Bilanzen zeigen, dass wir uns nicht erneut abhängig machen müssen von irgendwelchen Exporteuren.